“Meine Tochter kämpft gegen eine Essstörung”: Eine Mutter erzählt ihre Geschichte

Sandra, 40 Jahre alt, ist Mutter der 13-jährigen Fabienne, die seit Jahren an einer Essstörung leidet. Als Mutter teilt sie offen, wie diese schwere Zeit ihr Leben und das ihrer Familie komplett verändert hat. Die Essstörung ihrer Tochter hat nicht nur ihren Alltag auf den Kopf gestellt, sondern auch ihre Sicht auf das Leben. Sandra spricht über den emotionalen Kampf, die Angst und die Hoffnung, die sie als Mutter jeden Tag begleiten, während sie versucht, Fabienne auf ihrem schwierigen Weg zur Heilung zu unterstützen.
Als die Warnsignale übersehen wurden: Der verzweifelte Kampf um Hilfe
Die ersten Anzeichen von Fabiennes Essstörung traten bereits auf, als sie etwa acht Jahre alt war. Damals besuchte sie die zweite Klasse, und Sandra bemerkte, dass sich das Essverhalten ihrer Tochter veränderte. Besorgt suchte sie Rat bei einem Arzt, doch dieser beruhigte sie und meinte, es sei nicht weiter schlimm. „Er sagte mir, dass er es bemerken würde, wenn Fabienne wirklich eine Essstörung entwickelt“, erinnert sich Sandra. Obwohl sie Zweifel hatte, vertraute sie dem Urteil des Arztes. Doch im Laufe der Zeit verschlimmerte sich Fabiennes Zustand.
Fabienne zog sich immer mehr zurück und aß nur noch in ihrem Zimmer, wodurch Sandra lange nicht mitbekam, wie wenig ihre Tochter tatsächlich zu sich nahm. „Ich dachte, es wäre nur eine Phase“, gibt sie zu. Doch als Fabienne immer weiter an Gewicht verlor und schwächer wurde, suchte Sandra erneut Hilfe. Leider erkannte der Kinderarzt die Dringlichkeit nicht, und ein weiteres Dreivierteljahr verging, bevor sie die Entscheidung traf, den Arzt zu wechseln.
Die neue Hausärztin erkannte sofort, dass Fabienne ernsthafte Hilfe benötigte und veranlasste eine Einweisung in die Klinik. Dort wurde Fabienne intensiv betreut, und ihr Zustand stabilisierte sich zumindest körperlich. Doch die psychischen Probleme blieben bestehen.
Psychische Belastungen: Angststörungen und Zwangsgedanken
Neben der Essstörung entwickelte Fabienne über die Jahre weitere psychische Probleme wie Angststörungen, Zwangsgedanken und selbstverletzendes Verhalten. Ihre Situation wurde zusätzlich durch Mobbing in der Schule verschärft, und auch die familiären Herausforderungen belasteten sie. Fabienne hat einen schwerbehinderten Bruder, der 18 Jahre alt ist und viel Aufmerksamkeit benötigt. Sandra sieht, wie all diese Faktoren zu Fabiennes inneren Kämpfen beitragen.
„Es ist schwer, alles zu bewältigen“, sagt Sandra. „Besonders wenn man ein Kind hat, das so leidet und sich immer mehr zurückzieht.“ In einer der Kliniken erlitt Fabienne sogar ein Trauma, über das sie bis heute nicht spricht. „Sie hat mir nie erzählt, was dort passiert ist“, erklärt Sandra. „Das ist ein Tabuthema.“
Der schwierige Weg der Therapie
Die Therapie gestaltet sich nicht einfach. Fabienne ist oft nicht bereit, sich zu öffnen, was den Fortschritt in den Sitzungen blockiert. Die Therapeutin schlug daher eine Pause von drei Monaten vor. Für Sandra war das schwer zu akzeptieren, doch sie versteht, dass auch Pausen wichtig sein können. „Therapieplätze sind ein Geschenk“, sagt sie. „Es ist wichtig, die Chancen zu nutzen.“
Zusätzlich hat Sandra beschlossen, einen Psychiater zu konsultieren, da Fabienne keine Medikamente nimmt, obwohl sie selbst denkt, dass sie welche braucht. „Sie hat Angststörungen und Zwänge“, erklärt Sandra. „Wir müssen gemeinsam mit dem Psychiater herausfinden, ob Medikamente helfen können.“
Der Zwang zur Kontrolle: Essen als einzige Sicherheit
Eine der größten Herausforderungen für Fabienne ist ihr Drang nach Kontrolle, besonders über ihr Essen. „Das Einzige, was sie wirklich kontrollieren kann, ist ihr Essen“, sagt Sandra. Fabienne wiegt jedes Lebensmittel ab, das sie zu sich nimmt, was für sie eine Form von Sicherheit darstellt. Für Sandra ist das schwer mit anzusehen. „Es ist nicht normal, alles zu wiegen, aber für sie ist es die einzige Kontrolle, die sie hat.“
Trotz all dieser Herausforderungen bleibt Sandra optimistisch. Sie versucht, offen mit Fabienne über die Essstörung zu sprechen, auch wenn das Thema Trauma noch schwierig bleibt. „Über die Essstörung reden wir viel“, sagt Sandra. „Aber das Trauma ist noch zu schmerzhaft, um es anzusprechen.“
Rückblickend wünscht sich Sandra, sie hätte früher erkannt, wie ernst die Lage wirklich war. Doch als ihr die Schwere der Situation bewusst wurde, handelte sie entschlossen. Nun hofft sie, dass Fabienne den Weg zur Heilung weitergehen wird, auch wenn es noch ein langer und schwieriger Prozess ist. „Es ist ein täglicher Kampf“, sagt sie, „aber ich glaube fest daran, dass Fabienne die Kraft hat, diesen Weg zu gehen.“
Die Unterstützung von Klinik, Therapeuten und Psychiater ist für Sandra und ihre Tochter von entscheidender Bedeutung. Auch wenn die Fortschritte oft klein sind, ist Sandra überzeugt, dass jede Anstrengung zählt. Sie hofft, dass Fabienne eines Tages die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen und wieder ein erfüllteres Leben führen kann.
Die komplette Podcast Episode zu diesem Thema könnt ihr euch hier anhören:
Wichtig! Die bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich zu informativen Zwecken und sollten nicht als medizinischer Rat verstanden werden. Bei persönlichen Anliegen oder gesundheitlichen Bedenken ist es wichtig, dass du dich von einer qualifizierten Ärztin oder einem qualifizierten Arzt beraten lässt.
Wir bieten ein Mentoring Programm für Menschen mit Essstörungen und problematischem Essverhalten, sowie eine Online-Community (kostenlos) für Betroffene und ehemalige Betroffene an. Gerne findest du uns auf Instagram.
