Prof. Dr. Sandra Pahr Hosbach und Muskeldysmorphie: Wenn Muskelsucht zur Zwangsstörung wird

Prof. Dr. Sandra Pahr Hosbach und Muskeldysmorphie: Wenn Muskelsucht zur Zwangsstörung wird

Prof. Dr. San­dra Pahr Hos­bach ist Pro­fes­so­rin für Ernäh­rungs­psy­cho­lo­gie an der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le in Ber­lin. In ihrer Arbeit beschäf­tigt sie sich heu­te beson­ders mit dem Phä­no­men der Mus­kel­dys­mor­phie, einer Zwangs­stö­rung, die oft als „Mus­kel­sucht“ oder „Bigor­e­xie“ bezeich­net wird. Die­se Stö­rung führt zu einer ver­zerr­ten Wahr­neh­mung des eige­nen Kör­pers, bei der Betrof­fe­ne das Gefühl haben, nicht mus­ku­lös genug zu sein – selbst wenn sie objek­tiv als durch­trai­niert gel­ten. Pahr Paus­backs For­schung beleuch­tet die psy­cho­lo­gi­schen und sozia­len Aus­wir­kun­gen die­ser Stö­rung, die vor allem Män­ner, aber zuneh­mend auch Frau­en betrifft.

Was ist Muskeldysmorphie?

Mus­kel­dys­mor­phie ist eine spe­zi­fi­sche Form der Kör­per­dys­mor­phie, bei der Betrof­fe­ne das Gefühl haben, ihr Kör­per sei nicht mus­ku­lös genug. Trotz objek­tiv gut trai­nier­ter Kör­per emp­fin­den sie sich selbst als zu schmäch­tig oder nicht durch­trai­niert genug. Die­se Selbst­wahr­neh­mung steht in kras­sem Gegen­satz zu der Wahr­neh­mung ande­rer Men­schen, die oft beein­druckt von der kör­per­li­chen Fit­ness der Betrof­fe­nen sind.

Ein zen­tra­les Merk­mal die­ser Stö­rung ist das zwang­haf­te Stre­ben nach mehr Mus­kel­mas­se. Das Leben der Betrof­fe­nen dreht sich um Trai­ning, Ernäh­rung und den stän­di­gen Ver­gleich mit idea­li­sier­ten Kör­per­bil­dern, die sie oft in sozia­len Medi­en sehen.

Zwanghaftes Verhalten und Clean Eating

Men­schen mit Mus­kel­dys­mor­phie ent­wi­ckeln häu­fig zwang­haf­te Ver­hal­tens­wei­sen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf ihre Ernäh­rung. Sie ver­fol­gen stren­ge Diä­ten, die oft unter dem Kon­zept des „Clean Eating“ zusam­men­ge­fasst wer­den. Dabei wird nur „sau­be­res“, gesun­des Essen kon­su­miert, wäh­rend alles, was als unge­sund emp­fun­den wird, ver­mie­den wird. Die­se restrik­ti­ven Ernäh­rungs­wei­sen kön­nen das täg­li­che Leben stark ein­schrän­ken und sind häu­fig mit ande­ren Ess­stö­run­gen ver­bun­den, wie bei­spiels­wei­se Anore­xie oder Buli­mie. Das stän­di­ge Stre­ben nach einem idea­li­sier­ten Kör­per kann zu einer gefähr­li­chen Abwärts­spi­ra­le füh­ren, in der die Betrof­fe­nen ihren Kör­per wei­ter schädigen.

Betrof­fe­ne leh­nen es oft ab, an sozia­len Ver­an­stal­tun­gen teil­zu­neh­men, aus Angst, dass das dort ange­bo­te­ne Essen nicht ihren stren­gen Vor­ga­ben ent­spricht. Sie sind stän­dig damit beschäf­tigt, ihre Mahl­zei­ten selbst vor­zu­be­rei­ten, was zu sozia­ler Iso­la­ti­on füh­ren kann.

Soziale Ausgrenzung und Vereinsamung

Die Fixie­rung auf das Trai­ning und die Ernäh­rung kann zu einer zuneh­men­den sozia­len Iso­la­ti­on füh­ren. Betrof­fe­ne ver­mei­den oft sozia­le Akti­vi­tä­ten, die nicht mit ihrem Fit­ness- oder Ernäh­rungs­plan ver­ein­bar sind. Ein Restau­rant­be­such oder eine Fami­li­en­fei­er wird zum Pro­blem, weil sie die Kon­trol­le über das Essen ver­lie­ren und sich mit „unge­sun­den“ Lebens­mit­teln kon­fron­tiert sehen könnten.

Die­se stän­di­ge Kon­trol­le über den eige­nen Kör­per und die Ernäh­rung nimmt so viel Raum im Leben ein, dass ande­re sozia­le Kon­tak­te ver­nach­läs­sigt wer­den. Freun­de und Fami­lie kön­nen die Ver­hal­tens­wei­sen nicht immer nach­voll­zie­hen, was zusätz­lich zu Span­nun­gen und Ent­frem­dung führt.

Fitnessstudio: Ein Ort der Besessenheit

Das Fit­ness­stu­dio wird für Men­schen mit Mus­kel­dys­mor­phie oft zum Mit­tel­punkt ihres Lebens. Sie ver­brin­gen Stun­den mit inten­si­vem Trai­ning, um ihre „unzu­läng­li­che“ Mus­ku­la­tur zu ver­bes­sern. Selbst klei­ne Trai­nings­pau­sen kön­nen bei den Betrof­fe­nen Angst aus­lö­sen, dass sie an Mus­kel­mas­se ver­lie­ren könn­ten. Die­se über­trie­be­ne Fixie­rung auf das Trai­ning führt nicht sel­ten zu kör­per­li­chen Erschöp­fungs­zu­stän­den, Ver­let­zun­gen und Überlastung.

Für vie­le wird das Fit­ness­stu­dio zur ein­zi­gen sozia­len Umge­bung, in der sie sich wohl­füh­len. Doch auch hier herrscht oft Kon­kur­renz­druck, da der Ver­gleich mit ande­ren Fit­ness-Enthu­si­as­ten stän­di­ge Unsi­cher­hei­ten über den eige­nen Kör­per fördert.

Der Einfluss von Social Media und Gym Influencers

Die Rol­le von Social Media in der Ent­ste­hung und Ver­stär­kung von Mus­kel­dys­mor­phie kann nicht unter­schätzt wer­den. Platt­for­men wie Insta­gram oder Tik­Tok sind vol­ler durch­trai­nier­ter Fit­ness-Influen­cer, die schein­bar per­fek­te Kör­per prä­sen­tie­ren und häu­fig ihre rigo­ro­sen Trai­nings- und Ernäh­rungs­plä­ne teilen.

Für Men­schen, die bereits anfäl­lig für Kör­per­dys­mor­phie sind, kön­nen die­se Inhal­te den Druck erhö­hen, einen ähn­li­chen Kör­per zu errei­chen. Sie ver­glei­chen sich stän­dig mit den idea­li­sier­ten Kör­per­bil­dern, die sie online sehen, was ihr zwang­haf­tes Ver­hal­ten wei­ter ver­stärkt. Gym Influen­cer prä­sen­tie­ren dabei oft ein unrea­lis­ti­sches Bild von Fit­ness und Gesund­heit, das für vie­le uner­reich­bar ist, aber den­noch als Maß­stab genom­men wird.

Frauen und Muskeldysmorphie: Ein wachsender Trend

Obwohl Mus­kel­dys­mor­phie tra­di­tio­nell als Män­ner­pro­blem betrach­tet wird, ver­zeich­net Pro­fes­so­rin Paus­back eine zuneh­men­de Zahl jun­ger Frau­en, die ähn­li­che Sym­pto­me ent­wi­ckeln. Bei Frau­en dreht sich die Stö­rung weni­ger um Mus­kel­mas­se, son­dern viel­mehr um den Druck, einem klas­si­schen Schön­heits­ide­al zu ent­spre­chen – schlank, fit und durchtrainiert.

Auch bei Frau­en kann dies zu einer Fixie­rung auf Fit­ness und Ernäh­rung füh­ren, ähn­lich wie bei Män­nern. Sie ver­brin­gen viel Zeit im Fit­ness­stu­dio und stre­ben nach dem „per­fek­ten“ Kör­per, wie er in den sozia­len Medi­en pro­pa­giert wird. Dabei gera­ten sie eben­falls in die Fal­le von Clean Eating und sozia­ler Iso­la­ti­on, da sie sozia­le Situa­tio­nen mei­den, in denen sie die Kon­trol­le über ihre Ernäh­rung ver­lie­ren könnten.

Die kom­plet­te Pod­cast Epi­so­de zu die­sem The­ma könnt ihr euch hier anhören: 

Bist du unsicher, ob du möglicherweise von einer Essstörung betroffen bist?

Mit unse­rem Selbst­test, den du in weni­ger als einer Minu­te durch­füh­ren kannst, erhältst du schnell Klar­heit. Durch die Beant­wor­tung von nur 8 Fra­gen kannst du in kür­zes­ter Zeit her­aus­fin­den, ob bestimm­te Ver­hal­tens­mus­ter oder Gedan­ken­mus­ter auf eine mög­li­che Ess­stö­rung hin­wei­sen könn­ten. Es ist ein schnel­les und prak­ti­sches Werk­zeug, um früh­zei­tig Warn­si­gna­le zu erken­nen und gege­be­nen­falls pro­fes­sio­nel­le Hil­fe in Anspruch zu neh­men. Je frü­her die Krank­heit erkannt und eine The­ra­pie begon­nen wird, des­to grö­ßer ist die Hei­lungs­chan­ce.
Bit­te beach­te, dass das Test­ergeb­nis mit kei­ner Dia­gno­se gleich­zu­set­zen ist. Kon­tak­tie­re in jedem Fall dei­ne behan­deln­de Ärz­tin oder Arzt.

Wir bie­ten ein Men­to­ring Pro­gramm für Men­schen mit Ess­stö­run­gen und pro­ble­ma­ti­schem Ess­ver­hal­ten, sowie eine Online-Com­mu­ni­ty (kos­ten­los) für Betrof­fe­ne und ehe­ma­li­ge Betrof­fe­ne an. Ger­ne fin­dest du uns auf Insta­gram.

Wich­tig! Die bereit­ge­stell­ten Infor­ma­tio­nen die­nen aus­schließ­lich zu infor­ma­ti­ven Zwe­cken und soll­ten nicht als medi­zi­ni­scher Rat ver­stan­den wer­den. Bei per­sön­li­chen Anlie­gen oder gesund­heit­li­chen Beden­ken ist es wich­tig, dass du dich von einer qua­li­fi­zier­ten Ärz­tin oder einem qua­li­fi­zier­ten Arzt bera­ten lässt.

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